Ich komm Dir gleich dahin, do!
Der Philosoph Walter Benjamin sagt, die Sprache sei letztlich die eigentliche Sphäre der Gewaltlosigkeit. Und das stimmt auch. Konflikte, die rein sprachlich bleiben, führen weit seltener zu Kopfverletzungen. Das Problem dabei ist aber, dass die Sprache für manche Menschen nur eine Art Übergang zum Non-Verbalen darstellt. Das ist auch im Ruhrgebiet gut zu beobachten. Wir nehmen mal einen beispielhaften Satz, der praktisch aus dem unmittelbaren Grenz- bzw. Übergangsbereich von der sprachlichen Gewaltlosigkeit in die Sphäre der physischen Konfrontationsfreude stammt, nämlich:
„Ich komm Dir gleich dahin, do.“
Ein wunderschöner Satz! Und auch ein seltenes grammatikalisches Kunstwerk.Die schönste Anwendung des Dativs, die ich persönlich kenne. Wir fragen mal gemeinsam nach dem Objekt des Satzes:
Wem komm ich gleich dahin, do?
Antwort:
Dir.
Hier ist ja die Suche nach physischer Nähe semantisch enthalten. Denn der Sprecher will mir ja dahinkommen. Also auch räumlich näher rücken, so dass er letzten Endes die Hürde vom Geistigen zum Körperlichen überwindet. Er ist mir dahingekommen und ich kriege ein paar auf die Mappe. Diesen Satz habe ich schon oft gehört. Gerade in meiner Jugend wurden viele Leute des Mir-Dahinkommens nimmer müde, kann am sagen. Und so habe ich mittlerweile angefangen, auf den Satz „Ich komm Dir gleich dahin, do!“ (vor allem im Straßenverkehr) mit der einzig sinnvollen Erwiderung zu antworten, die es darauf geben kann:
„Wenn Sie mir jetzt eh schon duzen, kannz Du mir auch ruhig dahinkommen. Ich kann Dich aber nich versprechen, dass ich Dir auch hierbleibe, do.“
So lässt sich übrigens auch die Karenzzeit zwischen sprachlichem Frieden und physischem Gewalterlebnis bei manchen Menschen erheblich abkürzen. Ist empirisch erwiesen, do.
Bis die Tage!